Texte
SAUSTALL (2024)
In ihrer aktuellen Gemäldeserie versaut uns Isabell Heusinger gründlich unsere Träume vom Südseeparadies. Wenn die Künstlerin neuerlich Eindrücke ihrer Weltreise verarbeitet, geschieht es meist mit einem Augenzwinkern. Jene modernen Evas, die Selfie-tauglich mit ausgewilderten Hausschweinen auf einer beliebten Insel der Bahamas posieren, könnten Touristikprospekten entsprungen sein – wären da nicht auch Plastikflaschen im kristallklaren, türkisblauen Wasser von Pig Island.
Drastischer noch zeugen die mit altmeisterlicher Bravour geschilderten tropischen Müllhalden von der fortschreitenden globalen Umweltzerstörung. Während hierzulande sorgsam Müll getrennt wird, exportieren wir unsere Hinterlassenschaften längst in alle Welt. Ist der Mensch oder das Tier die Drecksau? – Einen Anstoß, kritisch über die Schattenseiten unserer Zivilisation zu reflektieren, liefern nordindische Borstenviecher, die im Müll am Straßenrand nach Essbarem wühlen.
In ihren oftmals erheiternden, auf den zweiten Blick jedoch nachdenklich stimmenden Gemälden liefert die Künstlerin gebrochene Idyllen. Doppelbödig verhandelt sie das schon in unserer Sprache und damit unserem Denken ambivalent konnotierte Thema Schwein. Ihr Pinsel gleitet dabei ebenso einfühlsam wie messerscharf über die Leinwand. Heusingers bestechend fotorealistisch gemalte Inszenierungen sind Ausdruck ungebremster Lebenslust, gewürzt mit einer erfrischenden Meeresprise Ironie.
Harald Tesan
WELCOME TO PARADISE! (2022)
Isabell Heusingers Gemälde leben vom sinnlichen Reiz einer bestechend wirklichkeitserfassenden Technik. Dabei geht ihr “Hyperrealismus” weit über die Möglichkeiten der Fotografie hinaus. Gerade in der souveränen Beherrschung unterschiedlichster Ölmalverfahren erweist sich die Meisterin. Ein subtiles Wechselspiel zwischen Geschautem und Imaginiertem macht den besonderen Reiz ihrer Kunst aus.
Schweift das Auge noch so in die Ferne, kehrt es doch immer wieder zu stilllebenhaft inszenierten Details zurück. Mal sind es abgelebte Dinge oder verwahrloste Ecken, denen der Pinsel neues Leben einhaucht. Dann sind es die wohl glücklichsten Schweine der Welt oder die stolzen Leguane auf den Bahamas, denen die Malerin einfühlsame Tierportraits widmet. Und gleichen die verschlungenen Wurzeln eines einsamen Baumes am Strand nicht Tintenfischen oder Kraken, haben sie nicht Arme und Augen?
Es bleibt offen, ob die Künstlerin solch wundersame Analogien absichtlich auf die Leinwand bannt, oder ob sie nur in unserem Kopf existieren. Schließlich durchdringen sich innerhalb der verblüffend abgeschilderten Gegenständlichkeit reale und fiktive Ebenen. Man muss genauer hinschauen, um versteckte Botschaften zu entdecken. Darauf, dass der temporäre Aufenthalt im Paradies teuer erkauft ist, verweisen diskrete Kondensstreifen am Himmel einer klischeehaft schönen Meerlandschaft.
Bei WELCOME TO PARADISE! wird die Idylle durch Wohlstandsmüll gebrochen, der zwei Drittel der großen Leinwand einnimmt. Den Jetset auf der Segeljacht mag es nicht kümmern, er eilt rasch weiter zum nächsten Traumstrand. Isabell Heusinger indes verweilt intensiv beim tropischen Müllhaufen. Nicht nur, weil sie Freude daran hat, uns die Urlaubsstimmung auf eine poetische Art ein bisschen zu versauen. Vor allem liebt sie es, abgewitterte Oberflächen oder vernachlässigte Orte zu malen. Filigrane Texturen faszinieren sie. Ihren Gemälden verleihen die prägnanten Closeups einen nostalgischen, wehmütigen Touch.
Es ist der vorgeblich nüchterne Blick der Fotografie, von dem eine latente Subversivität ausgeht, denn gleichgültig ist Isabell Heusinger nichts. Mit unbestechlichem Spürsinn dringt sie hinter die Bedeutung banaler Arrangements. Ihr Schrotthaufen am Paradiesstrand ist eine leicht verständliche Metapher für die unaufhaltsam voranschreitende globale Verwüstung. Dabei vollzieht sich der Übergang vom Leben zum Tod gleitend. Das Rosten des Metalls ist ein natürlicher Prozess wie die Erosion des exotischen Gestades durch Sonne, Wind und Wellen.
Hinweise, dass die Gemälde vielschichtig interpretierbar sind, liefern die teils ironischen Werktitel. LONESOME mag sich auf den einzelnen Baum beziehen, der sich bedenklich weit in Meeresnähe vorgewagt hat oder auf eine Person, die ihre OP-Maske in das knorrige Geäst gehängt hat. Fieserweise korreliert die exakt im Zentrum der so zufällig erscheinenden Komposition platzierte Coronamaske farblich mit dem Azurblau des Himmels und des Meeres. So spielt das Bild hintergründig auf unsere Sehnsüchte während der Pandemiezeit an und gleichzeitig auf die unfreiwillige Abgeschiedenheit, der man auf einer Robinsoninsel eben auch ausgeliefert sein kann. Wer will, darf im freigespülten Wurzelwerk des einsamen Strandbaumes ein mahnendes Zeichen des menschengemachten Klimawandels erkennen.
Isabell Heusinger, die sich 2016/17 auf Weltreise begeben hat, weiß inzwischen, dass den Zwängen der modernen Zivilisation nur schwer zu entkommen ist. Letztlich künden ihre Keramikschiffchen zwar vom immerwährenden Aufbruch des Menschen zu neuen Ufern. Die deformierten unter ihnen erzählen aber auch von gescheiterten Hoffnungen.
Harald Tesan